Crossroads of memory: Rolf Ahlers on his Junior Year in Munich 1956-57
Rolf Ahlers spent 1956-57 in Munich as part of the fourth class of the Junior Year in Munich. He followed in the footsteps of his older brother Peter, who was part of the third JYM class of 1955-56, and he was joined in Munich by his neighbor and fellow high school and Drew University student, Herma Hoyer.
After his junior year, Rolf went on to receive a Master of Divinity from the Princeton Theological Seminar and a Doctor of Theology from the University of Hamburg. He spent most of his career as the Reynolds Professor of Theology at the Sage Colleges in Troy, New York. Despite retiring in 2010, he remains an active scholar and is currently working on a manuscript about the German philosopher Friedrich Heinrich Jacobi (1743-1819).
Recently, Professor Ahlers took the time to reminisce about his experiences with the Junior Year in Munich program almost seven decades ago. His original German is followed by an English translation.
Original German version
Gern schreibe ich einige Zeilen über mein JYM 1956-1957 Jahr. Es war ein wunderbares Jahr! Aber auch ein Jahr voller Schicksal, das viel Veränderung für mich brachte. Ich war ja ein „Amerikaner“ unter den „Amerikanern“. Aber ich war eigentlich ein Deutscher. Nur sechs Jahre vorher, 1950, bin ich mit 14 Jahren von Hamburg mit meinen Eltern nach USA ausgewandert. Ich wurde „naturalisierter“ US Bürger im selben Jahr, 1956. Nun kehrte ich als Mann zum ersten mal nach Deutschland zurück, aber nach München. Alle meine Hamburger Freunde in unserer Methodistenkirche, auch meine Hamburger Familie, existierten noch. Für mich war das JYM Jahr in München also ein anderes Erlebnis als für die anderen „Amerikaner“. Ich hatte immer auch Hamburg im Sinn.
Dennoch war das Studium in München super: Ich hörte den großen Physiker Professor Walther Gerlach. Er baute erstaunliche Experimente vorn im Hörsaal auf. Zum Beispiel wurde eine 10 Meter lange Orgelpfeife vorn aufgebaut. Dann wurde unten ein Bunsenbrenner angezündet: Die Pfeife fing tatsächlich an sehr tief zu pfeifen. Dann hörte ich den berühmten Professor der Theologie Romano Guardini. Schon seine Person war beindruckend – ein kleiner Mann mit langem, weißem Haar. Ich sah ihn manchmal mit seinem Hund spaziergehen auf der Schellingstraße hinter der Uni, wo ich wohnte. Dann erinnere ich mich deutlich an die guten Tutorials: Über Thomas Manns Tonio Kröger und Buddenbrooks, die Verfallsgeschichte der Lübecker Patrizierfamilie, und andere berühmte Klassiker, die wir zusammen lasen und besprachen.
Ich erinnere mich deutlich an das „Greasy Spoon“ Restaurant in der Schellingstrasse, wo wir uns manchmal versammelten. „Thanksgiving“ kam, und meine Freunde wollten „Pumpkin Pie“ zum Thanksgiving haben. So erklärten wir dem Koch, wie man Pumpkin Pie macht und brachten ihm eine Dose Pumpkin Pie Filling, die wir im amerikanischen PX auftrieben. Er setzte uns tatsächlich Pumpkin Pie vor: Er hatte einfach den Inhalt der Dose auf seinem Tortenboden ausgeteilt und uns dann sein neues Kochkunstwerk kalt serviert. Und dann erinnere ich mich an die Reise nach Bad Tölz, wo wir die Segnung der Pferde durch die Priester erlebten.
Die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr kamen. Ich plante zuerst mit meinem BMW Motorrad nach Hamburg gen Norden zu fahren und meldete mich bei meiner Familie an. Meine JYM Freunde reisten in den sonnigen Süden. Sie hatten keine familären Verbindungen wie ich. Meine Großmutter väterlicherseits lag im Sterben im Krankenhaus. Sie wartete nur auf mich.
Dann besuchte ich den berühmten Hamburger Theologen Helmut Thielicke. Ich lernte ihn ein Jahr früher, im Herbstsemester 1955 kennen, als er Tipple Lecturer in der Drew University Graduate School war, wo ich seit 1954 studierte. Er las über Giordno Bruno und Galileo Galilei und wie sie verschieden theologisch disponiert waren zu den neuen naturwissenschaftlichen Einsichten: Bruno wurde wegen Irrlehre Februar 1600 auf dem Scheiterhaufen in Rom verbrannt. Galilei hörte auf, seine falschen Lehren zu lehren, verstaute sein Vorlesungsmanuskript in seinem Schreibtisch und lebte. Das Thema faszinierte mich. Ich entschloss mich, Theologie zu studieren. Deshalb besuchte ich Helmut Thielicke jetzt Ende 1956 in Hamburg in seinem Arbeitszimmer an der Uni am Dammtor. Neun Jahre später, nach Princeton und meinem Doktorstudium in Hamburg, promovierte ich in Hamburg bei Thielicke und fing dann auch meinen Lehrdienst dort an.
Neujahr 1957 feierte ich mit meiner ehemaligen Methodisten Jugendgruppe an der Ostsee in einem Freizeitheim. Wir waren inzwischen alle erwachsen geworden. Der Hamburger Jugendpastor Imhof behandelte mich, als wäre ich ein Star. Ich durfte Wein trinken. Die anderen mussten sich mit Saft begnügen. In seinen Augen war mein Ansehen gestiegen, wohl weil ich inzwischen ein Ami geworden war. Wieso aber überhaupt? Meiner Luise leuchtete das gar nicht ein. Mir eigentlich auch nicht. Luise war ein Mitglied unserer Jugendgruppe. Als ich 10 Jahre vorher noch dazu gehörte, waren wir oft als Kinder auf Freizeiten zusammen im Sommer an der Ostsee. Nur damals war sie nur eine unter vielen. Jetzt war sie eine junge Frau geworden. Sie fing gerade an, Medizin zu studieren. Jetzt beeindruckte sie mich sehr. Noch mal zehn Jahre später heiraten wir in Hamburg Ende Juli 1965.
Anfang Januar 57 fuhr ich mit meinem Motorrad von Hamburg wieder nach München. Und dann noch weiter südlich über die Alpen. Ich hatte mich mit einem Freund verabredet, die restlichen Freizeittage zwischen den Semestern durch Italien nach Griechenland zu fahren. Seinen Namen habe ich inzwischen vergessen. Er fuhr auch ein BMW. Wir trafen uns in Florenz. Eine fantastische Stadt! Allein der Duomo! Mit seinem rosa und weißen Marmor! Und dann die vielen anderen Kunstschätze. In ganz Italien! Wir fuhren weiter, östlich durch Ravenna, Venedig nach Jugoslawien. Die Straßen waren damals schlecht in Jugoslawien. Meines Freundes Motorrad ging kaputt. Wir fuhren weiter zusammen auf meiner Maschine, er hinten drauf bei mir. Aber in Split am Adriatischen Meer, wo wir in einem Studentenwohnheim bei Studenten untergebracht wurden – sie hatten uns enthusiastisch aufgenommen, sogar meine schwere BMW Maschine mit 8 Mann zwei Stockwerke im Treppenhaus hochgeschoben um sie vor Diebstahl zu schützen!! – entschlossen wir uns, nach München zurückzukehren. Die Reise war zu beschwerlich.
Nur noch zwei Erlebnisse aus meinem JYM 56-57 Jahr sollten erwähnt werden: Auf der italienischen Rivera auf der Autobahn, die nach Frankreich führte, überholte uns plötzlich ein Alpha Romero mit lautem Hupen. Links das Meer, rechts Häuser. Er gestikulierte, ich solle rechts am Rand anhalten. Er hatte wohl mein großes „M“ für „München“ hinten auf meiner deutschen Autonummer gesehen und mich als Deutschen identifiziert. Er stellte sich beim Begrüßen vor: Er war der Agrarminister Italiens. Er sei gerade von einer Reise durch Deutschland zurückgekehrt, wo er die deutsche Landwirtschaft auf Einladung seines deutschen Amtskollegen studierte. Nun wollte er ihm einen Dankesbrief schicken. Sein Deutsch sei aber mangelhaft. Ob ich ihm helfen könne, seinen Brief in gutes Deutsch zu fassen. Sein Haus sei nur eine kurze Strecke weiter an der Autobahn. Wir könnten gern bei ihm übernachten und am nächsten Tag dann weiterfahren. Wir waren bass erstaunt und sagten zu. Ich verrichtete gern meinen Dienst als Übersetzer, und wir waren am nächsten Morgen wieder unterwegs auf meiner BMW Maschine.
Diesmal ging die Reise gen Norden: Ich wollte mein Schweizer Waisenheim in Degersheim im Kanton St. Gallen besuchen, wo ich 10 Jahre früher als 10jähriger ein herrliches Jahr des Friedens und des Wohlstands erleben durfte; unser Hamburg war ja im Krieg total ausgebombt worden. Wir fuhren also durch Österreich in die Schweiz nach Degersheim. Wir kamen an der Säntisstraße unangemeldet im Waisenheim an. Die „Muttr“ Frischknecht und ihre Gehilfin „Rösli“ leiteten weiterhin das wichtige Institut für Schweizer Waisen. Und ja, ich konnte sogar noch einige Sätze auf Switzerdütsch mit ihnen reden. Obwohl ich ja eigentlich Hamburger Plattdeutsch schnackte (schnacken=Plattdeutch für reden oder sprechen). Sie waren sehr erstaunt! Ihr kleiner Rolf war inzwischen ein Mann geworden, nach USA ausgewandert und studierte nun in München. Jahrzehnte später, 2022, konnte ich dann mit einem Freund aus der Zeit, Walter Schaufelberger, mit dem ich ein Jahr lang auf derselben Schulbank beim Lehrer Buol in der evangelischen Schule für Jungen in Degersheim sass, wieder Kontakt aufnehmen, rein durch Zufall. Das ist aber eine andere Geschichte.
English translation
am happy to write a few lines about my JYM 1956-1957 year. It was a wonderful year, but also a fateful year that brought about a lot of change for me. I was an “American” among the “Americans,” but I was actually a German. Only six years earlier, in 1950, my parents had emigrated from Hamburg to the USA when I was 14. I became a naturalized US citizen in the same year, 1956. Now I was returning to Germany for the first time as an adult, but this time to Munich. All my friends from the Methodist church, as well as my relatives, were still in Hamburg. So, for me, the JYM year in Munich was a different experience than for the other “Americans”. I always had Hamburg in mind.
Studying in Munich was great, however. I attended lectures by the renowned physicist Professor Walther Gerlach, who conducted amazing experiments at the front of the lecture hall. For example, a 10-meter-long organ pipe was set up, and a Bunsen burner was lit underneath it: the pipe started to whistle in a very low tone. I also heard lectures by the famous theologian Romano Guardini. His appearance alone was impressive – he was a short man with long, white hair. I sometimes saw him walking his dog on Schellingstrasse, where I lived behind the university. I also clearly remember the good tutorials: on Thomas Mann's Tonio Kröger and Buddenbrooks, as well as other famous classics that we read and discussed together.
I clearly remember the “Greasy Spoon” restaurant on Schellingstrasse, where we sometimes gathered. Thanksgiving was coming, and my friends wanted pumpkin pie for the holiday. So, we explained to the cook how to make pumpkin pie and brought him a can of pie filling that we found in the American PX. He created a pie for us: he had simply spooned out the contents of the can onto the base for one of his layered cakes and then served us his new work of culinary art. I also remember a trip to Bad Tölz, where we experienced the blessing of the horses by the priests.
When the days between Christmas and New Year arrived, I planned first to ride my BMW motorcycle north to Hamburg to visit my relatives. My JYM friends were traveling to the sunny south, but they had no family connections like I did. My paternal grandmother was dying in hospital; she was just waiting for me.
During that time, I visited the famous Hamburg theologian Helmut Thielicke. I had met him a year earlier, in the fall semester of 1955, when he was the Tipple Lecturer at Drew University Graduate School, where I had been studying since 1954. He lectured about Giordano Bruno and Galileo Galilei, and the differences between their theological views on the new scientific insights of the time. In February 1600, Bruno was burned at the stake in Rome for heresy. In contrast, Galileo stopped teaching his “false doctrines,” hid his lecture manuscript away in his desk, and lived. The subject fascinated me, and I decided to study theology. That is why I visited Helmut Thielicke in his university office at the Dammtor in Hamburg. Nine years later, after studying at Princeton and completing my doctoral studies in Hamburg, I earned my doctorate with Thielicke and began my teaching service there.
But back to New Year 1957, which I celebrated with my former Methodist youth group at a vacation camp at the Baltic Sea. Everyone had grown up since my family’s move to the U.S.. The Hamburg youth pastor, Imhof, treated me like I was a star. I was allowed to drink wine, while the others had to make do with juice. My reputation had risen in his eyes, probably because I had become an American. But why? This certainly didn't make any sense to one of the girls I knew, Luise. It didn't make sense to me either. Luise was a member of our youth group. When I was involved with it 10 years earlier, we often attended summer camp together at the Baltic Sea. Back then she was just one of many. Now, she had become a young woman, and she was just starting to study medicine. She made a great impression on me. Ten years later, in July 1965, we got married in Hamburg.
At the beginning of January 1957, I rode my motorcycle from Hamburg back to Munich, and then further south over the Alps. I had arranged with a friend to ride through Italy to Greece for the remaining days off between semesters. I've since forgotten his name, but he rode a BMW like I did. We met up in Florence, a fantastic city! The Duomo alone, with its pink and white marble! And then the many other art treasures all over Italy! We rode east through Ravenna and Venice to Yugoslavia. The roads were bad in Yugoslavia back then, and my friend's motorcycle broke down. We continued riding together on my bike, with him on the back. In Split on the Adriatic, we stayed in a dormitory with students who welcomed us enthusiastically. Eight young men pushed my heavy BMW bike up two flights of stairs to protect it from theft! By this time, the journey had become too arduous, and we decided to return to Munich.
Two more experiences from my JYM 1956-57 year are worth mentioning: Along the Italian Rivera on the highway leading to France, an Alfa Romeo suddenly overtook us, honking loudly. The sea was to the left, houses to the right. The driver gestured for me to pull over to the right. He had probably seen the large “M” for “Munich” on my German license plate and identified me as German. He introduced himself as the Italian Minister of Agriculture. He had just returned from a trip through Germany, where he had studied German agriculture at the invitation of his German counterpart. Now he wanted to send him a letter of thanks, but his German was poor. Could I help him to put his letter into good German? His house was only a short distance away on the highway. We could spend the night at his place and then drive on the next day. We were amazed and agreed. I was happy to act as a translator.
The next morning, we were back on the road on my BMW, but this time traveling north. I wanted to visit the Swiss orphanage in Degersheim, in the canton of St. Gallen, where I had experienced a wonderful year of peace and prosperity 10 years earlier when I was 10 because our home in Hamburg had been completely bombed out during the war. We drove through Austria into Switzerland to Degersheim and arrived unannounced at the orphanage on Säntisstrasse. “Muttr” Frischknecht and her assistant ‘Rösli’ were still running the important institute for Swiss orphans. Although I spoke Hamburg’s Plattdeutsch dialect, I was even able to speak a few sentences with them in Switzerdütsch. They were very surprised! Their little Rolf had become a man, emigrated to the USA, and was now studying in Munich. Decades later, in 2022, I was able to reconnect, purely by chance, with a friend from that time, Walter Schaufelberger, with whom I had sat for a year at the same school desk under teacher Buol at the Protestant school for boys in Degersheim. But that's another story.