München und der Nationalsozialismus – ein beliebter Kurs und seine Relevanz für alle Studierenden
„München und der Nationalsozialismus“ ist der Titel eines Kurses, den ich seit nunmehr knapp 10 Jahren erfolgreich im JYM unterrichte. In diesem Kurs sind wir viel vor Ort, wir lernen bei Exkursionen die Schauplätze kennen, an denen die NS-Geschichte in München stattgefunden hat.
Ausflüge
Wir begeben uns immer wieder auf Spurensuche, erkunden zum Beispiel das ehemalige Parteiviertel der NSDAP rund um den Königsplatz oder gehen zum Standort des inzwischen abgerissenen Bürgerbräukellers, Ausgangspunkt des Hitlerputsches im Jahr 1923 und Stätte des Attentates auf Hitler durch Georg Elser im Jahr 1939. Wir besuchen mehrmals das NS-Dokumentationszentrum. Wir befassen uns mit der Vorgeschichte, betrachten, welche Rolle München nach dem Ersten Weltkrieg hatte, welche Grundvoraussetzungen diese Stadt einem aufstrebenden Rechtsextremismus bot und erarbeiten wichtige Eckpunkte der NS-Politik in den Jahren 1933-1945. Wir sprechen über die Ideologie der NSDAP und jede*r Kursteilnehmer*in, muss ein Referat über einen Teilaspekt dieser Zeit halten: sei es über die HJ (Hitlerjungend) und BDM (Bund deutscher Mädel), die Jugendorganisationen der Partei, über den Lebensborn e.V., ein Projekt der Nazis zur Förderung „erbgesunden“ Nachwuchses oder über den Kunstbegriff im NS-Staat.
Relevanz
Aber ich denke, das ist nicht das, was den Kurs ausmacht, sondern es ist der stete Bezug auf die Jetztzeit, auf das aktuelle Geschehen, auf den Umgang mit der Geschichte. Es ist der Transfer in die eigene Realität. Rechtspopulistische Parteien, Menschen mit antidemokratischen, menschenrechtsfeindlichen und geschichtsrevisionistischen Positionen drängen aktuell nicht nur in Europa, in Italien, in den Niederlanden, in Deutschland immer mehr an die Macht. So ist nicht nur Erinnerung an die NS-Zeit ein wichtiges Element dieses Kurses, sondern auch demokratisches Bewusstsein zu entwickeln, zu überdenken, was passieren kann, wenn man nicht rechtzeitig aufsteht und seine Rechte verteidigt. Immer wieder stellen wir uns im Kurs die Frage: was geht mich/uns diese Vergangenheit heute an? Was können/müssen wir tun, damit sich die NS-Geschichte nicht wiederholt, nicht im Ansatz und auch nicht im Ganzen! Was kann ein Staat tun, was kann jede*r Einzelne tun? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, beschäftigen wir uns intensiv mit der Geschichte Münchens in der NS-Zeit. Wir arbeiten gründlich heraus, wie die NS-Gesellschaft funktioniert hat, wer Opfer der Verbrechen gewesen ist, welche Motivation die Täter gehabt haben. Dafür gehen wir an die Orte des Geschehens, versetzen uns in Opfer und Täter hinein, beschäftigen uns mit unterschiedlichen Biografien, befassen uns intensiv mit den Voraussetzungen für das Aufkommen des Nationalsozialismus und mit seiner Ideologie.
Ziele
Am Ende des Kurses sollen die Kursteilnehmer*innen sensibilisiert sein für medial-politische Manipulationen und wissen, dass es unabdingbar ist, gegenüber Politiker*innen stets aufmerksam zu sein, nicht automatisch alles, sondern prinzipiell wenig zu glauben, alles zu hinterfragen, Medien zu vergleichen und vor allem immer selbst zu denken. Wenn wir die vergangene Geschichte verstehen, die versteckten Mechanismen und Manipulationen dahinter erkennen und darüber nachdenken, sind wir besser in der Lage, eine Zukunft zu gestalten, die von Werten wie Weltoffenheit, Toleranz und Demokratiebewusstsein geprägt sein sollte, nicht von Antisemitismus, Rassismus und anderen Formen der Diskriminierung.
Barbara Reis, M.A., academic coordinator and instructor